
Jäger (DGB), Kai Humphries (SPD-Ortsvereinsvorsitzender) Derya Türk-Nachbauer (MdB),
Nicola Schurr (SPD-Fraktionsvorsitzender)
Auf Einladung des SPD-Ortsvereins Villingen Schwenningen begrüßte der Ortsvereinsvorsitzende Kai Humphries am 13.02.2025 um 18.00 Uhr im Foyer der Neckarhalle in Schwenningen ca. 60 Gäste und die Vertreter der Gewerkschaften VERDI, Herrn Reiner Geis, DGB, Frau Mareike Jäger, IG Metall, Herrn Thomas Bleile, Herrn Nicola Schurr, Fraktionsvorsitzender SPD Gemeinde & Kreis und Frau Derya Türk-Nachbauer (MdB) SPD-Kandidatin für den Bundestag zu diesem Thema:
„Wie gestalten wir die Zukunft der Arbeit in Deutschland und VS?“
Überschattet wurde die Veranstaltung von dem schrecklichen Anschlag auf eine VERDI-Kundgebung in München, bei dem 30 Menschen zum Teil schwer verletzt wurden. VERDI-Landesbezirksleiter Reiner Geis erklärte, dass es für eine Stellungnahme noch zu früh sei, dass man sich aber trotz des schrecklichen Ereignisses weiterhin für die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einsetzen werde. In einer Schweigeminute solidarisierten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit den Opfern und ihren Angehörigen.
Mit der Frage: “Deutschland der kranke Mann Europas?“ eröffnete Moderator Kai Humphries die Diskussionsrunde.
Dass diese Behauptung nicht zutrifft, darin waren sich alle Diskutanten einig.
Mareike Jäger betonte die große Innovationskraft, die in einer sich wandelnden Wirtschaft steckt. Im Falle von VS sei dies der Wandel von der Automobilzulieferindustrie hin zu Dienstleistungen. Thomas Bleile wies darauf hin, dass im Schwarzwald-Baar-Kreis 40 % des verarbeitenden Gewerbes stark von der Automobilindustrie abhängig seien. Die Herausforderung der Transformation könne aber gelingen, wenn man den Mut habe, zu investieren und gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu fördern.
Derya Türk-Nachbauer hält das für ein Märchen. Wir müssen uns fragen, wie gut wir für die Transformation unserer Wirtschaft aufgestellt sind. Gerade in der Krise müssen wir in unsere Infrastruktur investieren. Das größte Problem im Schwarzwald-Baar-Kreis sind die rund 6000 fehlenden Fachkräfte.
Reiner Geis betonte: Wirtschaft hat viel mit Psychologie zu tun. Schlechtredner und Pseudo-Experten hätten wir genug. Tatsache ist, dass wir mit rund 48 Millionen Menschen die höchste Beschäftigungsquote haben, die wir je in unserem Land hatten. Wir, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, haben allein durch unsere Steuern die höchsten Staatseinnahmen ermöglicht. Vom kranken Mann Europas zu sprechen, ist eine scheinheilige Diskussion. Allein bei uns ist der DAX um 28 Prozent gestiegen. Im Vergleich zu den USA, wo er nur um 16 % gestiegen ist.
Wie nehmen die Podiumsteilnehmer die Stimmung in der Bevölkerung wahr?
Viele Menschen fiebern dem 23. Februar entgegen. Die Menschen sind verunsichert und kämpfen mit den hohen Lebenshaltungskosten. Viele haben Angst, ob sie morgen noch ihre Wohnung bezahlen können. Die Menschen wünschen sich verlässliche Rahmenbedingungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Viele Menschen sind erschöpft. Mangelnde Teilhabe und ein gutes Miteinander werden beklagt. Das ist das Resümee.
Wie sehen die Podiumsteilnehmer die Fachkräftesituation im Schwarzwald-Baar-Kreis?
Allein im Schwarzwald-Baar-Kreis wurden bis Ende 2024 3.200 offene Stellen ermittelt. Die meisten im Dienstleistungsbereich wie Pflege, Erziehung oder Fahrdienste. Allein durch Corona sind viele aus der Gastronomie in andere Branchen gewechselt. Die duale Ausbildung gerät ins Hintertreffen. Ein Studium erscheint vielen Jugendlichen aussichtsreicher als eine gute Ausbildung. Das produzierende Gewerbe verzeichnet steigende Arbeitslosenzahlen bei An- und Ungelernten, was den Druck auf die Beschäftigten durch Umverteilung der Arbeit erhöht. Es bleibt festzuhalten, wenn wir unsere ausländischen Mitbürger nicht hätten, würde in vielen Bereichen nichts mehr funktionieren.
Welche Rahmenbedingungen brauchen wir für Fachkräfte?
Nur 7% der Unternehmen, die Kurzarbeit eingeführt haben, nutzen das Instrument der Qualifizierung. Thomas Bleile fragt: „Woran liegt das? An der Bürokratie?“ Nicola Schurr fordert: „Rundum-Pakete für Neubürger mit mehr Sprachförderung, Wohnraum und Kinderbetreuung. Wir müssen in diesen Bereichen flexibler werden, d.h. die teilweise überzogenen Ansprüche an die realen Möglichkeiten anpassen. Derya Türk Nachbauer mahnt zu ganzheitlichem Denken. Wenn in den nächsten Jahren 7 Millionen Menschen in Rente gehen, werden ohne Fachkräfte aus dem Ausland viele Betriebe schließen. Diese Menschen müssen willkommen sein, sonst gehen sie dorthin, wo sie willkommen sind.
Immer weniger Betriebe bilden aus. Wie können wir Betriebe stärken?
Reiner Geis würde hier auf das Instrument der Verbundabgabe setzen. Wenn alle für die Ausbildung zahlen müssten, wäre das ein Anreiz für die Betriebe, selbst auszubilden. Die Auszubildenden sind heute oft 20-22 Jahre alt und nicht wie früher 14-15. Mehr Kooperation zwischen Schulen und Betrieben könnte auch helfen, merkte Mareike Jäger an. Thomas Bleile stellt fest, dass sich immer weniger Jugendliche für eine Ausbildung in der Industrie bewerben. Und die Bewerber stellen sich die Frage: Ist das ein Betrieb mit zukunftssicheren Produkten? Die Möglichkeit des Förderjahres wird kaum genutzt. Wohngemeinschaften für Auszubildende, auch überbetrieblich, könnten ein Anreiz für Ausbildungswillige sein.
Zum Schluss durften die Podiumsteilnehmer ihre eigenen Wünsche äußern.
Nicola Schurr: „Wir investieren im Landkreis und in der Stadt nach wie vor immense Summen in die Bildungseinrichtungen. Familien müssen bei den Kindergartenbeiträgen entlastet werden, denn Kindergärten sind frühkindliche Bildungseinrichtungen.
Mareike Jäger: „Wir brauchen mehr Tarifbindung und Tariftreue.
Reiner Geis: Wir brauchen anständige Löhne. Krisenverlierer müssen wieder teilhaben können. Diese Forderungen stärken die Binnennachfrage.
Thomas Bleile: Eine gesunde Wirtschaft braucht auch steigende Löhne. Die Unternehmergewinne sind jährlich um 3,5 Prozent gestiegen, die Löhne nicht inflationsbereinigt um 2,5 Prozent.
Derya Türk-Nachbauer: Mindestlohn, Bafög und Berufsausbildungsbeihilfe müssen regelmäßig angepasst werden. Die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel muss runter. Das hilft den Menschen.
Zum Abschluss bedankte sich der Moderator Kai Humphries bei den Diskussionsteilnehmern und dem interessierten Publikum. Insgesamt war die Veranstaltung ein Mehrwert für die Bewältigung der anstehenden Aufgaben.